13.8.2009: Land spart Hochschulen kaputt auf Kosten der Zukunft
Anlass für die heutige Pressekonferenz waren die Finanzierungslücken der Universität Freiburg. Anlass für die jetzigen Kürzungen war der Gebührenerlass für Studierende mit zwei oder mehr Geschwistern, wodurch das Studiengebührenaufkommen an der Universität Freiburg um mehr als fünf Millionen Euro eingebrochen war. Gleichzeitig war die Universität aufgrund massiver Unterfinanzierung dazu gezwungen wegen einem zu erwartenden Defizit von 5,5 Millionen Euro im kommenden Jahr, ab Oktober auch für den allgemeinen Haushalt eine Stellenbesetzungssperre zu verhängen. Um in Gesprächen mit dem Rektorat über weitere Kürzungen bei der Studiengebührenvergabe zu beraten, wählte die Studierendenvertretung im Juli das so genannte ad-hoc-Gremium, bestehend aus sieben Studierenden.
Dramatisch wird die Situation dadurch, dass die Studiengebühren von Beginn an für die Grundausstattung der Hochschule und die grundlegende Sicherung des Lehrangebotes verwendet wurden, also kaum noch Kürzungsmöglichkeiten bestehen, ohne gleichzeitig den Lehrbetrieb zu gefährden. Hier zeigt sich, dass die mit der Geschwisterregelung verbundenen Kürzungen nur Symptome des eigentlichen, viel tiefer sitzenden Problems sind: nämlich der zunehmenden strukturellen Unterfinanzierung der Hochschulen. „Der Verursacher sitzt in Stuttgart und die Weichen wurden nicht diesen Januar, sondern schon vor zehn Jahren gestellt“, so Lisa Oster, ad-hoc-Gremiumsmitglied, die sich ab Oktober auch im u-asta-Vorstand engagiert. Die zu stopfenden Haushaltslöcher sind inzwischen so groß, dass auch die Einnahmen aus Studiengebühren diese Lücken lange nicht mehr zu schließen vermögen. Längst werden zentrale Studienangebote, die gesetzlich vorgeschriebene Umstellung auf Bachelor/Master oder Stellen in der Prüfungsverwaltung aus Studiengebühren finanziert. Was an Verbesserungen übrig bleibt, würde jetzt im Rahmen der Streichungen oder in den nächsten Jahren durch den Rückzug des Landes wieder verloren gehen. Von zusätzlichen Mitteln, die die Landesregierung damals bei Einführung der Gebühren versprach, kann man so schwerlich sprechen.
„Wir haben uns am ad-hoc-Gremium beteiligt, weil es uns wichtig schien, auch unter dem Kürzungszwang auf eine Wahrung der Interessen von Studierenden hinzuwirken“, so Lisa Oster weiter. „Aber die wahren Probleme lassen sich dadurch nicht lösen. Das Land muß sich endlich an sein Versprechen halten, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu gewährleisten: Wir brauchen endlich mehr Geld, sonst fährt man die Universität gegen die Wand.“
Die Folgen der Unterfinanzierung bekommen die Mitarbeiter der Hochschulen schon seit Jahren zu spüren. Im wissenschaftlichen Dienst kam es in den letzten Jahren zu einer extremen Prekarisierung der Beschäftigungssituation. Die Arbeitsverhältnisse wurden flächendeckend in Zeitverträge umgewandelt und die Anzahl der Stellen reduziert. Manche Einrichtungen müssen all ihre Angebote auf der Basis von Lehraufträgen für 760 Euro pro Semester leisten. Das ist für ein halbes Jahr Lehrarbeit wenig mehr als der Bafög-Höchstsatz pro Monat. Dabei handelt es sich nicht um ein singuläres Problem der Hochschulen oder gar der Universität Freiburg. „Schauen Sie sich die Löhne von Erzieherinnen an, den Sanierungszustand unserer Schulen oder die Klassengrößen, da sehen sie die Folgen in anderen Bildungssektoren. Man kann genauso wenig glauben, man könne den Hochschulen jedes Jahr weniger Geld zur Verfügung stellen, gleichzeitig mehr Studierende betreuen lassen und glauben, dass niemand die Folgen zu tragen bräuchte. Die Zeche für diese politische Verantwortungslosigkeit zahlen jetzt die Mitarbeiter und Studierenden – und in der Zukunft wir alle“, so Leonard Edelmann, Sprecher der Juso Hochschulgruppe und ebenfalls Mitglied im ad-hoc-Gremium.
Dabei sind nicht nur zu wenige und geringer qualifizierte AbsolventInnen zu erwarten mit den bekannten ökonomischen Folgen, auch das Sozialgefüge gerät durch die Verlagerung der Bildungskosten auf private Schultern zunehmend aus dem Lot. Der Monitoring-Beirat des Landes, der die Einführung der Studiengebühren begleitet, warnt auf Grundlage der Erfahrungen der ersten beiden Jahrgänge ausdrücklich vor einer Abschreckungswirkung der Studiengebühren auf Kinder aus einkommensschwachen Familien. Auch die derzeitigen Studienkreditangebote vermögen dem nicht abzuhelfen. Sie befördern die soziale Ungleichbehandlung und machen Studiengebühren somit auch nicht sozial verträglich.
„Schließlich beobachten wir mit Sorge welchen Weg die Landesregierung im Bereich Bildung einschlägt. Die Qualität der Lehre leidet wegen struktureller Unterfinanzierung, besondere Zuwendungen fließen fast nur in die Forschung, zunehmende Selektionsmechanismen und Studiengebühren hemmen den Hochschulzugang, so dass Bildung mehr und mehr zum elitären Gut wird,“ erklärt Lisa Oster. „Eine zukunftsfähige Politik muss jedoch genau das Gegenteil anstreben, nämlich ausreichend finanzierte Hochschulen und einen breiteren Zugang zu Bildung für alle sozialen Schichten.“
Für Rückfragen und O-Töne steht Ihnen Clemens Weingart unter 0176 / 53074382 oder clemens#u-asta.de zur Verfügung.