20.6.2007: Klage gegen Studiengebühren: Der lange Weg nach Karlsruhe
Die Studierenden in Baden-Württemberg haben sich aufgemacht, das Gesetz zur Einführung der Studiengebühren vor dem Bundesverfassungsgericht zu kippen. Dafür ist der Zug durch die Instanzen erforderlich. Die Freiburger Klagen waren der erste Schritt auf einem Weg, der durch das Urteil lediglich ein Stück länger geworden ist.
Die Studierenden haben fast mit einem solchen Urteil gerechnet. Dass ein Gericht erster Instanz den Mut aufbringen würde, sich bei einem politisch so brisanten Thema mit der Landesregierung anzulegen und den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, war zu hoffen, aber nicht zu erwarten. Schließlich geht es für das Land nach eigenen Angaben um 180 Millionen Euro im Jahr.Dementsprechend groß war der Trupp aus Anwälten, Sachverständigen und Ministeriumsmitarbeitern, der versuchte, die Erhebung von Studiengebühren zu verteidigen. Bei einem Blick auf die Klägerseite wurde klar: Hier kämpft David gegen Goliath.
Trotz dieser eindeutigen Vorzeichen zeigte sich schnell, warum die Studierenden davon überzeugt sind, das Studiengebührengesetz vor den Gerichten zu Fall zu bringen. Die Vorträge der Kläger brachten die Gegenseite immer wieder in erhebliche Erklärungsnot. So stellte das Gericht eindeutig klar, daß bereits jetzt eine erhebliche soziale Schieflage nicht nur beim Zugang zu den Hochschulen besteht, sondern im gesamten Bildungssystem.
„Es ist schade, dass der Fall nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde. Die dafür erforderlichen verfassungsrechtlichen Zweifel waren dem Gericht durchaus anzumerken“, sagt Peter Lehmann vom landesweiten AK Klage, der für die Organisation und Koordination der Klagen verantwortlich ist. „Am Ende verhinderte die Angst vor der eigenen Courage einen anderen Ausgang. Gerade das aber bestärkt uns in unserer Überzeugung, dass spätestens in Karlsruhe das Gesetz gekippt wird.“
Insgesamt wurden drei – von landesweit knapp 3000 – Klagen verhandelt. Musterklägerin ist eine darlehensbedürftige Mutter von zwei Kindern, die Studiengebühren zahlen muss. Flankiert wurden sie von Studenten, die aufgrund des Zivildienstes ein Jahr „verloren“ haben und dadurch länger Gebühren zahlen müssen. „Es gibt unzählige Fälle, die die krasse Ungerechtigkeit des Gesetzes aufzeigen. Das hat der heutige Tag noch mal eindrucksvoll gezeigt“, bemerkt Benjamin Greschbach, Vorstand der Studierendenvertretung der Uni Freiburg.
Daneben wurde aber auch Grundsätzliches behandelt: die missbräuchliche Verwendung der Gebühren oder auch der UN-Sozialpakt, der ganz eindeutig die Unentgeltlichkeit des Hochschulstudiums fordert. Daß dieser Pakt für Bund und Länder verbindlich ist, erkannte auch das Ministerium an. Thema war die extreme Benachteiligung der Darlehensnehmer gegenüber den Sofortzahlern. Schließlich sind gerade die sozial Schwächeren auf den mit sieben Prozent hoch verzinsten Kredit angewiesen und zahlen dadurch sehr viel mehr als ihre besser situierten Kommilitoninnen und Kommilitonen.
Der Abschreckungseffekt der Studiengebühren wird jetzt schon deutlich: Allein an der Uni Freiburg sind es im Vergleich vom letzten zu diesem Sommersemester mehr als 1100 Studierende weniger geworden, zusätzlich haben sich ca. 250 Studierende mehr als gewöhnlich beurlauben lassen, um so der Zahlungspflicht zu entgehen. „Diesen drastischen Anstieg allein auf die Bachelor/Master-Umstellung zurückzuführen, halte ich für ein gewagtes Ablenkungsmanöver“, meint Hermann J. Schmeh, ebenfalls Vorstand der Studierendenvertretung der Uni Freiburg.
Die Musterklägerin geht jedenfalls in Berufung. Spätestens am Ende des Instanzenzuges wird sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit der Studiengebühren befassen müssen.
Vielleicht dürfen sich die Studierenden aber auch schon früher freuen: Am 11. Juli verhandelt das Verwaltungsgericht Karlsruhe die dortigen Klagen gegen Studiengebühren.
Pressesprecher des AK Klage/V.i.S.d.P:
Malte Marwedel
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