#1: Was macht der CHE an unserer Uni?
Schenkt man den Statistiken Glauben, dann hat über die Hälfte der derzeitigen StudentInnen im ersten Semester vor der Einschreibung einen Blick auf das berühmte Hochschulranking geworfen, das alljährlich im Stern oder in der Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlicht wird. Und etliche der Leser ließen sich durch die roten, gelben und grünen Punkte in den Tabellen auch nach Freiburg leiten. Dass die deutschen Hochschulen in regelmäßigen Abständen allerdings vom CHE bewertet werden, darüber hat sich vielleicht schon so mancher gewundert. Eines ist klar: der große südamerikanische Freiheitskämpfer Ernesto Guevara steckt nicht dahinter. Aber wer dann?
Es
ist das Centrum für Hochschulentwicklung aus Gütersloh,
eine gemeinnützige
GmbH. Ob
diese drei Buchstaben ganz bewusst Assoziationen mit jener Ikone von
studentischen Revolten wecken sollen, ist nicht genau bekannt.
Das Anliegen ist
jedoch auf jeden Fall ein ganz anderes.
Das CHE wurde 1994 auf Initiative der Hochschulrektorenkonferenz
und der Bertelsmann-Stiftung gegründet. Erstere
trat dieser Tage wieder in Erscheinung, als sie angesichts neuer Statistiken
einen Zusammenhang zwischen Studiengebühren und gesunkenen
Neueinschreibungen dementierte. Hinter der zweiten stecken mehr
als nur die roten Buchshops, die in keiner deutschen Einkaufszone fehlen
dürfen. Es ist die Bertelsmann AG und zu diesem Konzern gehören
unter anderem der größte europäische
Zeitschriftenverlag Gruner
+ Jahr, bekannt durch Stern und Brigitte, die RTL-Group und zur Hälfte
ebenso die Sony BMG Music Entertainment.
Wozu
aber bedarf es, wenn man den Markt als fünft größtes Medienunternehmen
weltweit in dieser Weise bereits beherrscht, einer Stiftung,
die über 76 Prozent des Aktienkapitals hält? Weil es einen Unterschied
macht, ob man als Unternehmer zwei Milliarden Euro Erbschafts-
oder Schenkungssteuer für sein Vermögen durch die Übertragung
auf eine gemeinnützige Stiftung spart oder nicht.
Was aber ist dann der Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, zu der nicht nur das CHE, sondern auch das Centrum für Krankenhaus-Management und das Centrum für angewandte Politikforschung gehören? Man möchte, so die Selbstdarstellung, „konkrete Beiträge zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme“ leisten. Und derer gibt es so einige.
Die
Vorschläge dieser Reformwerkstatt beschränken sich also
nicht allein auf
den Bildungssektor, sind aber dort noch am
bekanntesten. Das Ranking
ist dafür nicht der einzige Grund. Das CHE, das sich selbst als „weisungsfrei“
und „unabhängig“ charakterisiert, erarbeitet Konzepte zur Reform
der Hochschulen, wirkt als Projektpartner für diese und auch für die
zuständigen Ministerien und bietet Fortbildungsprogramme an.
Dass Unabhängigkeit
und Meinungsfreiheit alles andere als Meinungslosigkeit bedeuten,
stellt das CHE in einem „Mission Statement“ ohne Umschweife klar:
die europäischen Hochschulen sollen in jeder Hinsicht autonom
sein, aber
wettbewerbsfähig. Die Schlagworte der ökonomischen
Effektivität und
Effizienz werden dabei ganz groß geschrieben. Ebenso die Studiengebühren.
Diese würden zwar Gefahren bergen, nämlich dann, wenn
sie sozial ungerecht sind, aber eben auch große Chancen. Dass man
daran arbeitet, die Gefahren zu mindern und die Chancen zu erhöhen,
versteht sich von selbst. Wie sozial gerechte Studiengebühren aussehen,
diese Erklärung bleibt man allerdings schuldig. Dafür hat
das CHE
konkrete Vorstellungen davon, wie die Hochschulen ihre Autonomie steigern
können: sie sollten ihre Studentinnen und Studenten durch
Eignungsprüfungen selbst
aussuchen, zudem die Hierarchien innerhalb ihrer Verwaltung und Leitung
verstärken und in verschiedene Gremien Beiräte und
Kuratoren aus
der Wirtschaft berufen.
Kritiker lehnen nicht nur die vom CHE vertretene Ökonomisierung der Hochschulen ab, sondern weisen auch immer wieder darauf hin, dass zum Beispiel das Hochschulranking durch den starken Wettbewerbsgedanken dazu maßgeblich beiträgt und zudem qualitative Mängel in der Erhebung der Daten aufweist.
In Berlin haben die Studierenden der Alice-Salomon-Fachhochschule, einer beim Hochschulranking überaus erfolgreichen Hochschule, dieses deshalb im Oktober 2007 geschlossen boykottiert, die Schweizer Hochschulen beteiligen sich nicht mehr und die Österreichische Qualitätssicherungsagentur (AQA) hat die Kooperation für 2008 aufgekündigt. Aber auch in Freiburg werden kritische Stimmen laut: Die Studierenden der KFH erarbeiten derzeit eine Strategie und die Fachschaftenkonferenz der Universität hat vor kurzem einen Antrag beschlossen, um durch verschiedene Aktionen auf die Mängel des CHE-Rankings aufmerksam zu machen. In den nächsten Ausgaben des u-Boten werden wir deshalb versuchen, die unterschiedlichen Aspekte dieser Thematik zu untersuchen.
Ob am Ende CHE oder Che – Privatisierung der Hochschulen oder ein kritischer Geist der Studierenden – dominieren werden, bleibt abzuwarten.
Anselm Oelze