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20.1.2007: Lügen wie gedruckt

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Screenshot der Universitätsmeldung (19.1.2007, 17.30 Uhr) Screenshot der Universitätsmeldung (19.1.2007, 17.30 Uhr)
Rektor Jäger verbreitet Falschinformationen, um Boykott von Studiengebühren aufzuhalten

Am Freitagabend hat die Universität auf ihrer Homepage eine Seite zum Thema Studiengebühren und Boykott veröffentlicht. Darin sind gleich mehrere Falschinformationen enthalten. Die Studierendenvertretung der Uni Freiburg zeigt sich bestürzt über derartig unseriöse Information, die offensichtlich durch die Angst vor einem erfolgreichen Boykott motiviert ist.

„Wenn der Rektor uns Studierendenvertretern auf der einen Seite eingestehen muss, welche Kürzungen das Land vornimmt, sich dann auf der anderen Seite an die Öffentlichkeit wendet und behauptet, es wäre alles in Ordnung, so ist dies unglaubwürdig und offenbart seine Angst vor einem erfolgreichen Boykott. Studiengebühren sind politisch nicht durchsetzbar, das scheint langsam auch der Rektor zu erkennen. Nun versucht er, sich in Notlügen und ausgewachsene Unwahrheiten zu flüchten“, so Benjamin Greschbach, Vorstand des unabhängigen Studierendenausschusses (u-asta) der Uni Freiburg.


Die Meldung von http://www.uni-freiburg.de/de/aktuelles/aktuelle_mitteilungen.php?detail=183 [Abruf vom 19.01.2007, 17:30 Uhr] im Einzelnen:


Zitat erster Absatz:
      „Richtig ist, dass die Studiengebühren vollständig für das Studium und die Lehre eingesetzt werden. Die Rücklagen für Darlehensausfälle dürfen per Gesetz nicht aus Studiengebühren finanziert werden.“

Dies widerspricht in mehreren Punkten bisherigen Äußerungen des Rektorats. Letzteres ist nämlich explizit geplant. Prorektor Volz führt dies in einem „Schreiben an die Dekane der 11 Fakultäten der Universität Freiburg“ (Postversand am 22.12.2006) wie folgt aus: „[…] ist insgesamt mit einem Gebührenaufkommen zwischen 15 und 18 Mio. Euro zu rechnen. Hiervon wird ein Vorwegabzug von ca. 12 % für administrative Zwecke (Verwaltung, Studienfonds) […] einbehalten.“

Diese Berechnung folgt offensichtlich auch der Sprachregelung des Wissenschaftsministeriums: „Fachleute gehen davon aus, dass die Ausfälle bei den Studiendarlehen etwa zehn Prozent betragen werden. Dabei handelt es sich vor allem um die Darlehen von Studierenden, die die festgesetzte Einkommensgrenze nicht erreichen. Die Kosten für die Verwaltung an den Hochschulen halten sich in engen Grenzen: Hier ist mit höchstens zwei Prozent der Gebühreneinnahmen zu rechnen.“ (siehe http://mwk.baden-wuerttemberg.de/studiengebuehren)

Auch im § 9 Absatz 8 Satz 1 des LHGebG ist festgehalten: „Zur Erfüllung seiner Aufgaben erhebt der Studienfonds Umlagen bei den staatlichen Hochschulen und Berufsakademien.“ Sollte das Rektorat nun aber planen – wohlgemerkt entgegen der Information an die Dekane –, die Umlagen für den Studienfond aus dem zentralen Haushalt aufzubringen, so wäre dies Augenwischerei. Denn die Löcher, die im zentralen Haushalt dadurch entstünden, müssten wiederum mit Studiengebühren gestopft werden.

Auch der erste Satz („Studiengebühren vollständig für Studium und Lehre“) widerspricht nicht nur wegen den Ausführungen zum Studienfond den Tatsachen, sondern auch weiteren Äußerungen im o.g. Schreiben von Prorektor Volz. Im Abschnitt „Mittelumschichtung zur Entlastung des Forschungshaushaltes“ werden dort Umschichtungen der Studiengebühren direkt in den Forschungshaushalt angekündigt. Diese belaufen sich nach Angaben von Prorektor Volz aus der Sitzung des Zwölferrates vom 20.12.2006 auf 1,5 Millionen Euro. Geld, das unmittelbar der Forschung zugute kommt, also nicht für Studium und Lehre eingesetzt wird.


Zitat zweiter Absatz:
      „Falsch ist, dass die Universität Freiburg Studiengebühren verheizen wird. Wir erhalten von Seiten des Landes einen Zuschuss für die erhöhten Heizungs- und Energiekosten, so dass auf keinen Fall Studiengebühren zur Deckung dieser Kosten eingesetzt werden.“

Alleine, dass darüber nachgedacht wurde, Studiengebühren für Heizkosten auszugeben zeigt, dass diese Diskussion nur vorübergehend vom Tisch ist – welche anderen Sparmaßnahmen dem Rektor mit diesem Zugeständnis aufgedrückt wurden, lässt sich nur vermuten (und wird auf der Homepage auch verschwiegen). Während andere Universitäten nach wie vor darüber nachdenken, Heizkosten (Uni Ulm) oder die Renovierung der Tiefgarage (Uni Passau) aus Studiengebühren zu bezahlen, hat das Wissenschaftsministerium im Fall der Uni Freiburg offensichtlich nur auf massiven öffentlichen Druck geringe zusätzliche Gelder bewilligt. Die versprochenen 6 Millionen Euro pro Jahr sollen für neun Universitäten reichen – dabei übersteigen alleine die Mehrkosten der Universitäten Ulm und Karlsruhe diesen Betrag.

Es ist daher zu befürchten, dass in Zukunft Studiengebühren wiederum als Argument für weitere Kürzungen des Landes genommen werden, spätestens wenn die nächste Erhöhung der Energiekosten ansteht und der öffentliche Fokus nicht mehr auf der Verwendung der Gebühren liegt. Alle internationalen Erfahrungen mit der Einführung von Studiengebühren zeigen, dass diese Befürchtung mehr als gerechtfertigt ist.


Zitat dritter Absatz:
      "Wichtig für Sie ist zu wissen, dass Sie, wenn Sie die Studiengebühren nicht bezahlen, auch nicht eingeschrieben sind und somit nicht studieren können. In letzter Konsequenz wäre das Semester für Sie verloren. Ob das Geld auf ein Treuhandkonto eingezahlt wurde oder nicht, ist hierfür unerheblich. Die Universität ist durch das Landeshochschulgesetz gebunden und kann nicht mit den Studierenden über die Gebühren verhandeln, selbst wenn das Quorum von 5.500 boykottierenden Studierenden erreicht wird."

Genau so wenig kann die Hochschule allerdings ein Viertel ihrer Studierenden vor die Türe setzen. Sollte der Rektor mit diesen – bemerkenswert vorsichtig formulierten – Ausführungen tatsächlich eine Massenexmatrikulation androhen wollen, so muss er sich fragen lassen, ob er dies wirklich verantworten kann. Nicht nur vor dem Hintergrund des anstehenden Universitätsjubiläums muss er sich Gedanken darüber machen, ob er seiner eigenen Universität einen so enormen Schaden zufügen möchte oder die politischen Realitäten eines erfolgreichen Boykotts anerkennt und gemeinsam mit den Studierenden beim Land auf einen Verzicht der Studiengebühren hinwirkt.

Auch, dass das Semester im Allgemeinen verloren sei, stimmt so nicht. Nach einer Exmatrikulation ist es in den meisten Studiengängen möglich, sich vor Vorlesungsbeginn wieder in das nächsthöhere Fachsemester einzuschreiben. Für Details raten wir dem Rektor, wie bisher auch allen Studierenden, die häufig gestellten Fragen zum Boykott unter www.boykott-freiburg.de einzusehen oder sich beim Studierendensekretariat zu erkundigen.


Zitat vierter Absatz:
      "Studiengebühren sind nicht ungerecht und schrecken nicht vom Studium ab
      Die Universitätsleitung und das Wissenschaftsministerium haben auf Härtefallregelungen und sozial verträglichen Darlehenskonditionen bestanden."

Diese bemerkenswert ausführlich begründete politische Argumentation für Studiengebühren kann nur als unqualifizierter Versuch gewertet werden, die Einführung der Gebühren pauschal und ohne Tatsachengrundlage zu verteidigen. Es ist offensichtlich, dass durch die Kopplung des Bildungszugangs an die finanzielle Leistungsfähigkeit des Elternhauses Personen aus bildungsfernen Schichten von einem Studium noch mehr abgeschreckt werden als bisher. Auch ein Darlehenssystem ändert an dieser Tatsache nichts, da die Verschuldungsbereitschaft bei Personen aus dieser Herkunftsgruppe verständlicherweise auch deutlich geringer ist.

Nachdem in ganz Deutschland seit zwei Jahren über die Einführung von Studiengebühren diskutiert wird, sinkt die Akademiker-Quote. In Nordrhein-Westfalen fällt die Zahl der Studienanfänger nach Einführung der Gebühren um mehr als fünf Prozent. Gleichzeitig steigen die Zinsen für ein Studiengebühren-Darlehen der L-Bank in Baden-Württemberg von 5,9 auf 7,2 %, noch bevor die ersten Gebühren gezahlt werden müssen. Angesichts dieser Tatsachen von „Sozialverträglichkeit“ zu sprechen, offenbart eine bedenkliche Bereitschaft zur beliebigen Dehnbarkeit dieses Begriffs.

Dabei wird der Abschreckungseffekt auch durch die Universitätsleitung nicht bestritten: So will die Universität diejenigen Studierenden von den Gebühren befreien, die aufgrund ihrer Leistungen ein Stipendium erhalten. Diese Freistellung von Hochbegabten wird mit dem Argument begründet, jene würden Zitat: „an ‚günstigere’ Hochschulen abwandern“, wenn man ihnen die Gebühr nicht erlasse. Wenn sich aber selbst dieser Personenkreis von den Gebühren abschrecken lässt, was für eine Wirkung haben sie dann erst auf finanziell weniger leistungsfähige Studienbewerber?

Auch der Verweis auf die Härtefallregelungen ist eher als zynischer Fehlgriff denn als seriöse Information zu werten. Baden-Württemberg hat eines der härtesten Gebührengesetze eingeführt, welches aus diesem Grund auch juristisch auf der Kippe steht. Die Ausnahmen betreffen nur einen sehr kleiner Personenkreis: Es sind lediglich Befreiungen vorgesehen, wenn man nicht an der Uni studiert (Urlaubssemester, Praxissemester, Doktoranden, etc.), eine Behinderung nachweisen kann, zwei oder mehr Geschwister hat, die bereits Gebühren zahlen oder „hochbegabt" ist. Studierende mit Kindern werden nur befreit, wenn diese jünger als 8 Jahre sind. Andere Befreiungen, zum Beispiel nach sozialen Kriterien, sind grundsätzlich ausgeschlossen. So werden weder BAFöG-EmpfängerInnen befreit, die ohne dieses heute bereits nicht studieren könnten, noch andere Kriterien der finanziellen Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Den Hochschulen wird in Baden-Württemberg im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch nicht einmal ein Spielraum eingeräumt, einen bestimmten Prozentsatz der Studierenden auf Grund von weiteren Härtefällen selbst freizustellen.


Zitat fünfter Absatz:
      "Falsch ist, dass sich das Land aus der Hochschulfinanzierung zurückzieht. Von den Studiengebühren werden unter anderem gesamtuniversitäre, also fakultätsübergreifende Einrichtungen wie das Zentrum für Schlüsselqualifikationen profitieren. Für solche Einrichtungen wird typischerweise vom Land nur eine Anschubfinanzierung vergeben. Die Universität will diese erfolgreichen Einrichtungen der Lehre fortführen."

Dass eine Kürzung des Landes angekündigt wurde („Anschubfinanzierung“), macht sie nicht besser und ändert auch nichts an der Tatsache, dass sie mit Studiengebühren aufgefangen wird. Eine Verbesserung von Studium und Lehre lässt sich mit diesem abgezweigten Betrag jedenfalls nicht erreichen, denn eine Einrichtung wie das Zentrum für Schlüsselqualifikationen ist kein Luxus, sondern für die Lehre in fast allen Studiengängen – gerade durch die Bachelor/Master-Umstellung – nötiger Grundbestandteil. Mit Studiengebühren wird hier also lediglich der Status Quo erhalten.

Bemerkenswert ist, dass das Rektorat die Kürzung der Tutorenprogramme hier völlig verschweigt. Wiederum aus dem o.g. Schreiben von Prorektor Volz zitiert: „Außerdem entfallen künftig die befristeten Sonderzuweisungen des MWK für Tutorate (ca. 300.000 Euro)“. Das Land zieht sich eben doch zurück – und das noch bevor die ersten Studiengebühren erhoben wurden.

Besonders brisant dabei: In der Badischen Zeitung vom Freitag, 19. Januar 2007 wird der Rektor mit der gegenteiligen Aussage zitiert. Aus dem Artikel „Stopfen Studiengebühren Etatlöcher?“: „Auch der Rektor der Freiburger Universität, Wolfgang Jäger, übte in der nicht-öffentlichen Sitzung Kritik an der Regierung: Die Zusicherung, die Studiengebühren in vollem Umfang zur Verbesserung von Lehre und Studium und nicht zur Deckung von Haushaltsdefiziten zu verwenden, werde faktisch nicht eingehalten.“


Zitat sechster Absatz:
      Die Mitsprache der Studierenden ist ausdrücklich gewünscht
      Die Universität hat in ihrer Grundordnung die Mitsprache eines studentischen Gremiums verankert. Der 12-er Rat, bestehend aus je einem Studierenden der Fakultäten und einem AStA-Vertreter, wurde bereits umfassend auf seine Aufgabe vorbereitet und detailliert über den Haushalt der Universität informiert. Parallel verhandeln die Fakultäten mit den dortigen Vertretern der Studierenden über die fakultätsinterne Verwendung. In den kommenden Monaten wird über die Verwendung der Studiengebühren in weiteren Arbeitssitzungen mit den Studierendenvertretern beraten.
      Auf diese Weise wird eine größtmögliche Transparenz gewährleistet.

Hierbei von studentischer Mitsprache zu sprechen, ist grob falsch. Im Gebührengesetz ist lediglich ein Anhörungs- und Informationsrecht („Benehmen“) für die Studierenden vorgesehen – keine Spur von demokratischer Mitsprache im eigentlichen Sinne. Die Studierenden können nur „gute Vorschläge“ machen; die Definitionshoheit darüber, was „gut“ ist liegt bei Rektor und Aufsichtsrat. Diese können völlig unabhängig von der studentischen Meinung über die Gebühren verfügen. Was Rektor Jäger von studentischer Mitsprache hält, hat er in der Vergangenheit, z.B. bei der Erarbeitung einer neuen Grundordnung für die Universität, oft genug bewiesen. Trotz eines umfangreichen Entwurfs der Studierenden dafür wurde in der mehrheitlich professoral besetzten Kommission die erst in der Sitzung selbst eingebrachte Rektoratsvorlage fast ohne Änderungen durchgestimmt.

Auch bei der Planung für die Verwendung der Gebührengelder zeigt sich das Wesen dieser von Rektor Jäger geprägten „Freiburger Demokratie“: Im Jahre 2006 wurde bereits ein Vorgriff auf die Studiengebühren getätigt (siehe „Rundschreiben Nr. 1 / 2006, Haushaltsführung 2006“ unter http://www.zuv.uni-freiburg.de/aktuelles/rundschreiben/2006-Nr_1.html ). Finanziert wurde damit eine Investitionsrunde zu Gunsten der Forschung in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Ohne die Studierenden auch nur zu fragen.

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erstellt von hermann zuletzt verändert: 20.01.2007 11:31
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