18.1.2007: 487 klagen gegen rechtswidrige Studiengebühren
Gestern hat Julia Daiber, die Klägerin des Musterverfahrens, die vom renommierten Freiburger Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack verfaßte Begründung ihrer Klage gegen den Studiengebührenbescheid beim Verwaltungsgericht (VG) Freiburg eingereicht. Damit kommt das Musterverfahren in Gang: Die Universität muß die Vorwürfe nun erwidern.
Insgesamt sind 487 Klagen eingegangen, die etwa je zur Hälfte von Studierenden der Universität und der Pädagogischen Hochschule eingereicht wurden, bestätigte das VG Freiburg. Das VG rechnet mit einem schnellen Verfahren, so daß die erstinstanzliche Entscheidung schon im ersten Halbjahr fallen könnte. Auch an den anderen drei Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg werden nach dem gleichen Prinzip Musterprozesse und ruhende Verfahren geführt. Allein am VG Stuttgart sind über 1500 Klagen anhängig.
Nur wer gegen seinen Gebührenbescheid Klage einreicht, hat die Chance, die unrechtmäßig gezahlten Gebühren noch einmal wiederzubekommen. Damit aber nicht alle Klägerinnen und Kläger Kosten von mehreren tausend Euro zu tragen haben, wird nur ein Musterverfahren durch alle Instanzen geführt; alle anderen Verfahren ruhen bis zur endgültigen Entscheidung. „Unser Ziel ist die Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht“, gibt Peter Lehmann vom Arbeitskreis Klage des u-asta, der Studierendenvertretung der Universität Freiburg, die Marschrichtung vor. „Dort wird das Gesetz unabhängig von den Musterverfahren auf alle rechtlichen Bedenken abgeklopft.“
Einer der zentralen Angriffspunkte der Klage ist die Tatsache, daß Deutschland zu den Unterzeichnern des UN-Sozialpakts gehört, der in geltendes deutsches Recht umgesetzt wurde – mit Zustimmung der Länder. In diesem Pakt verpflichtete sich die BRD unter anderem dazu, durch die Einführung von entgeltfreiem Schul- und Hochschulunterricht auf einen möglichst barrierefreien Bildungszugang hinzuwirken. Viele Rechtswissenschaftler sehen in dieser Klausel ein Rückschrittsverbot: Da es in Deutschland schon zu einem gebührenfreien Studium gekommen war, dürfte dieser Zustand nun nicht wieder durch die Einführung von Studienentgelten verschlechtert werden.
Abgesehen von der Tatsache, daß Studiengebühren immer eine abschreckende Wirkung gerade auf finanzschwache Studierende haben, ist das baden-württembergische Modell zudem sehr „sozialunverträglich“ ausgestaltet. Der teuer verzinste Kredit der L-Bank, der die angebliche Sozialverträglichkeit der Gebühren garantieren soll, wird durch einen Fonds abgesichert, der der Bank ihr Darlehen zurückerstattet, falls der Kreditnehmer Zins und Tilgung nicht aufbringen kann. Pro Kreditnehmer muß jede Hochschule einen Betrag in diesen Fonds einzahlen. Diese Einzahlungen werden aus Studiengebühren bestritten. So zahlen die Studierenden selbst die Sozialverträglichkeit des Gesetzes: Laut Ludwig Kronthaler, Richter am Bundesfinanzhof, ist das verfassungswidrig.
„Neben dem Boykott als politischem Weg beschreiten wir natürlich auch den rechtlichen, um dieses unrechtmäßige Gesetz zu Fall zu bringen“, sagt dazu Hermann J. Schmeh, u-asta-Vorstand. „Die Klägerinnen und Kläger haben den richtigen Schritt getan.“
Fotos von der Übergabe der Klageschrift finden Sie nebenan zur freien Veröffentlichung unter Nennung des Urhebers (Fotograf: Robin Gommel, 3cimages.de).
Für Rückfragen stehen Ihnen Hermann J. Schmeh und Benjamin Greschbach gerne zur Verfügung.
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