Studentischer Streik vom 20.01. - 22.01.2004
Eine Vollversammlung von über 800 Studierenden der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hatte vor Weihnachten beschlossen, im Januar einen dreitägigen universitätsweiten studentischen Streik durchzuführen. Der reguläre Lehr- und Forschungsbetrieb sollte ausgesetzt werden, um den Studenten, aber auch dem Lehrpersonal, Freiraum zu schaffen für eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit aktuellen bildungs- und sozialpolitischen Themen: das einzuführende Landeshochschulgesetz in Baden-Württemberg, die Umstrukturierung der Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse, die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren, der Abbau sozialer Hilfestellungen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und andere nicht einfach als gegeben hinzunehmende Entwicklungen machten und machen diese Art der Auseinandersetzung nötig. Die Studenten hatten die Chance, miteinander in Workshops zu diskutieren und sich eine eigene Meinung in Vorträgen, Referaten und kontroversen Podiumsdiskussionen zu bilden. Gleichzeitig äußerte sich der Protest gegen viele Aspekte der aktuellen Bildungspolitik in an die Öffentlichkeit gerichteten kleineren und größeren Aktionen an der Universität und in ganz Freiburg. So äußerte sich der Unmut z.B. in einer kurzzeitigen Besetzung der CDU-Parteizentrale. Die Studenten setzten ein Zeichen der Solidarität und des gemeinsamen Kampfes, als über 3500 Studenten und andere Bürger am Mittwoch eine Menschenkette bildeten, die beinahe von der Pädagogischen Hochschule bis zur Universität reichte. Lehrveranstaltungen, die an öffentlichen Plätzen abgehalten wurden, demonstrierten symbolisch die schlechten Lern- und Arbeitsbedingungen an der Hochschule. Bei diesen Aktionen zeigte sich nicht nur die wohlwollende Haltung vieler Dozenten dem Streik gegenüber, sondern sogar die Bereitschaft einiger Lehrender zur aktiven Teilnahme.
Ca. 1500 Bürger vieler sozialer Gruppen nahmen an einer abschließenden Kundgebung gegen den Sozial- und Bildungsabbau am Donnerstag teil. Etwa die gleiche Zahl an Studenten war insgesamt am Streik aktiv beteiligt. Unsere Hoffnung ist, dass nach dem Ende des Streiks viele von ihnen nun bereit sind, die begonnene Aufklärungs- und Protestarbeit in Arbeitsinitiativen zu verschiedenen Themenkomplexen fortzusetzen. Diese Initiativen können in der Lage sein, die Prozesse der Veränderung im Bildungsbereich kritisch und konstruktiv zu beeinflussen. Wenn sich diese Hoffnung erfüllt, dann war der Streik erfolgreich. Das hehre Ziel, alle Studenten aufzurütteln und zum aktiven Protest zu bewegen wurde zwar verfehlt, aber es konnte zumindest eine Öffentlichkeit und eine Sensibilisierung für die Probleme geschaffen werden, die vor dem Streik nur sehr wenigen Studenten bewusst waren.
Der Streik in Freiburg ist vorerst beendet, aber wir solidarisieren und ausdrücklich mit allen derzeitig noch protestierenden und streikenden Studenten in Deutschland und ganz Europa. Zudem wird der nächste Streik in Freiburg vielleicht schon im nächsten Semester stattfinden, wenn das Bundesverfassungsgericht die Klage zum Hochschulrahmengesetz entscheidet. Wir möchten zudem ausdrücklich all jenen Helfern danken, ohne die der Streik nicht zustande gekommen wäre. Auch die Unterstützung und das Verständnis der Polizei und der Universitätsführung trugen maßgeblich zum Gelingen des Streiks bei.